Lucia Falconi –
eine Künstlerin und ihr Werk
Lucia Falconi stammt aus Lateinamerika, aus Quito, der Hauptstadt Ecuadors. Ihr Medium ist die Keramik, wie die Textilkunst auch eine uralte Technik im lateinamerikanischen Raum. Ihr künstlerischer Ansatz ist jedoch ein völlig anderer. Sie greift nicht das Kunsthandwerk auf – dies ist ihr selbstverständlicher Bestandteil der Heimat – sondern stellt sich den Anforderungen der Bildhauerei in der aktuellen Kunst.
Es sind die Wunder der Natur, die Kindheits-Ausflüge in den Urwald Ecuadors und dessen phantastische Pflanzenwelt, die Falconi inspirieren.
Strange Beauty
Rede zur Eröffnung der Ausstellung von Lucia Falconi, Siegfried Kaden und Andreas Lang am 21. September 2012 in der Münchner Rathausgalerie
Andreas Kühne
Auch wenn es abgegriffen erscheint, will ich es noch einmal betonen: Lucia Falconi will uns mit ihren Plastiken aus Keramik, Bronze und Glas nicht zu einem Spaziergang zu den Naturformen ihrer südamerikanischen Heimat einladen. Sie erschafft – zweifellos inspiriert von einer genauen, häufig minutiösen Kenntnis der Natur – eine ganz eigene, synthetische Kunstwelt, die parallel zur Natur existiert. Wie sie in einem Interview mit Luis Volonté (2011) erzählt hat, gehörte die Überquerung des Flusses Napo in einer tarabita, einem einfachen Fahrkorb, der über Rollen an einem Stahlseil bewegt wird, zu den prägenden Erlebnissen in ihrer frühen Jugend. „Die Angst war sehr groß, der Napo enorm breit und die Fahrt dauerte ewig.“ Auf der anderen Flusseite wartete das Haus der Großmutter, das Geheimnisse und Überraschungen barg. Heute ist sie auf dem Weg über einen anderen Fluss, die Schwierigkeiten, mit denen sie jetzt kämpft, speisen sich aus den Unwägbarkeiten, die aus der Benutzung unterschiedlicher Materialien, Farben und Formen erwachsen. Aber immer noch wird ihre Kunst genährt von den harten und weichen, monumentalen und mikroskopisch kleinen Formen und Linien der Pflanzen und ihren schier unbegrenzten Möglichkeiten.
In einem Katalogtext zu ihren neuen Arbeiten habe ich gelesen: „Ihre Werke bewegen sich an der Grenze zwischen großer Kunst und ornamentaler Kunst.“ Meiner Überzeugung nach existiert eine solche Grenze nicht. Sie ist eine Fiktion, ein falsch verstandener Satz von Adolf Loos. Der Ursprünge des Ornaments sind per se künstlerischer Natur – ob sie nun aus der präkolumbianischen Kultur stammen, aus Alt-Island oder von keltischen Armreifen. Unkünstlerisch, oder – um mit Adolf Loos’ zu sprechen – „verbrecherisch“, ist allein das der Oberfläche der Dinge angeklebte Decor. Die stolz gezeigten Tatoos auf hinteren Körperpartien oder die Verzierungen von Fassaden und Balkonbrüstungen mancher im „Retro-Stil“ erbauter Villen.
Bei Lucia Falconi verwandelt sich das individuelle Ornament in eine Metapher für selbst geschaffene Lebensräume. In eine Metapher für Beziehungen, Abhängigkeiten, Pläne und Zustände – und nicht zuletzt für Emotionen. Die Plastik „Lo que pasó“ ist aus der Erinnerung an eine Wanderung im Urwald entstanden. Nach einem Flächenbrand waren die Pflanzen und Bäume zu schwarzen Skeletten verkohlt. Auf dieser Wanderung, so erzählt sie, habe sie die Nähe des Todes gefühlt. Mit der künstlerischen Paraphrase dieses Moments habe sie kein politisches statement abgeben wollen, nur ihre reine, ungeschminkte Empfindung des Todes darstellen wollen.
Lucia Falconi bleibt weiterhin auf der Reise zwischen ihren beiden Heimaten, zwischen Europa und Südamerika, zwischen Plastik, Relief und Bild – auf der Suche nach neuen Horizonten ihrer unverwechselbaren Kunstwelt.